15.01.05 Erfurt, "Gewerkschaftshaus" von Tottovic Kalkül
Vorab eine Bitte: sicher sind mir viele Sachen entfallen, die Erwähnung finden sollten, oder ich habe sie anders erlebt als Ihr. Das gilt natürlich für beide Festivaltage. Darum rufe ich an dieser Stelle alle auf, ob Kollegen oder Hörer: "Schreibt einfach auch Erlebnisberichte über dieses Wochenende. Wir setzen sie gerne auf diese Seite, denn wir freuen uns über jede Art von Feedback." Vielleicht klappt's ja mal.
Aufgewacht. Inmitten von Gitarren. Zahllose Gitarren, die mich anknurren: "üb gefälligst!" Aber es sind ja Linkshändergitarren, da geht das zum Glück nicht. Sie gehören Mr. Vomit, bei dem Bierhorst und ich genächtigt haben. Ich finde beide im Wohnzimmer, auch Ines ist schon frisch und munter, ich werde von allen aufgrund meines gestrigen Alkoholexzesses hämisch angegrinst. Das tut dem Selbstbewußtsein nicht sonderlich gut. Besser wird's erst nach dem Genuss der aktuellen "Beastie Boys" CD, da das aber Liedermacherfans wieder nicht nachvollziehen können, sag ich mal: Nach dem Genuss der letzten acht Waderplatten geht's mir wieder gut.
Gegessen wird heut aushäusig, in einem Labyrinth von Bistro mit einer völlig verwirrten Kellnerin. Bierhorst ist allerdings nicht dabei, der fleißige Gesell ist in Sachen CD-Mastering unterwegs. Weil Maestro Vomit zeitig im Gewerkschaftshaus, dem heutigen Veranstaltungsort, sein muß, fahren wir gleich rüber. Tino und Heinz, heute für Sound und Licht zuständig, sind fleißig wie die Bienchen, trotzdem fehlt irgendwas, weil immer irgendwas fehlt. So ist das. Da sind dafür schon Reiner vom Gerwerkschaftshaus, Tino Eisbrenner nebst Gitarrist und Merchandiserin, Wenzel nebst Merchandiser und Sven Panne nebst den alten Liedermachergährtinnen Dina und Else. Mit den drei letzteren setze ich mich in den Backstage und verbringe eine äußerst kurzweilige Zeit, bis dann auch die anderen Akteure eintreffen: Burger, Bierhorst (extrem gut gelaunt, CD mäßig alles bestens) und Martin Sommer samt Harfenistin. Auch da: Kess Amber, Bernd Barbe, Lutz Drenkwitz und Michael Günther, die bekanntermaßen gestern den Museumskeller ultimativ gerockt haben. Natürlich ist auch Fred wieder am Start und ziemlich rasch sind erste Biere geöffnet.
Zum Abend:
Leider füllt sich das Gewerkschaftshaus längst nicht so grandios wie letztes Jahr, Götz Widmanns Abwesenheit macht sich bemerkbar. Dennoch: Der Saal ist voll, die Stimmung ist gut und - mal ehrlich - das Festival muss ja auch langsam mal auf eigenen Beinen zu stehen lernen. Natürlich sind Götz' Auftritte stets Highlights, aber er tritt ja eh regelmäßig in Erfurt auf. Gebt dem Festival eine Chance.
Vicki Vomit moderiert heute, und zwar ganz hervorragend. Er ist einer der wenigen Stand Up - Talente, die ich mag, ganz objektiv betrachtet. Leider spielt er nicht, aber man kann ja nicht alles haben.
Den Opener macht Martin Sommer, der sehr schöne - manchmal an Reinhard Mey erinnernde Lieder spielt. Auch die Harfe kommt sehr gut an, die Schau indes stiehlt beiden: ein Kazoo-Solo. Ja, so ist das. Man wirft Perle um Perle, aber bei ner Tröte jubeln alle.
Sven Panne spielt als nächster, und zwar Klavier. Meine Herren, wie multiinstrumental werden die Liedermacherfestivals noch? Er hat den Hamburg-Style, und Hamburg-Style zu haben bedeutet: Vom Publikum geliebt zu werden. Ich kann das verstehen, denn Hamburg rockt eben. So wie Erfurt. Oder Berlin. Jedenfalls nicht das Rheinland.
Next artist is Burger himself:
Burger knallt ordentlich rein mit seinen Punkhits wie auch mit den leiseren Songs, wie dem Blues oder SuSuSu, bei dem auch Fred endlich mal die Bühne erklimmen kann, um sein jetzt schon legendäres Glockenspielsolo zu spielen und auch dafür Szenenapplaus zu ernten. Die Stimmung ist klasse und der Bierkonsum steigt augenblicklich. Es wird mitgesungen und ordentlich gefeiert.
Bierhorst ist bereits ein Star in Erfurt, das merkt man gleich. Seiner Ankündigung, die CD sei endlich im Kasten folgt der bislang stürmischste Applaus heute Abend. Bierhorst weiß die Stimmung nicht nur zu halten, sondern durch eine tolle Auswahl seines umfangreichen Repertoires zu steigern. He's still the god of picking!
Musikalisch extrem vielseitig kommt im Anschluss Tino Eisbrenner daher, der zu Klavier- und Gitarrensounds politische, gefühlvolle und auch lustige Lieder auf hohem textlichen Niveau präsentiert. Man merkt, auch heute ist es wieder eine starke Gratwanderung zwischen der (unterhaltungsfreudigen) Liedermaching- und der (gehaltvollen) Liedermacherfraktion. Ich finde gut, dass es beide gibt.
Nachdem Tino ordentlich gefeiert wurde und Vicki Vomit seine Moderation aus der Hüfte geschossen hat, bin nun ich an der Reihe. Hm, gestatten: der flotte Totte. Mag sein, ich bin heute etwas bräsig am Start, dann spinnt auch noch mein Gitarrenkabel, aber Heinz (ich erwähnte ihn bereits) macht sekundenschnell alles wieder gut und ich glaube, ich habe ein ganz ordentliches Set gespielt. Spaß gemacht hat es auf jeden Fall. Und dank auch dem netten Herren, der mir ein frischgezapftes Bier an die Bühne gebracht hat, ich hab mich gar nicht bedankt: Danke.
Headliner des Abends ist Wenzel und headlinermäßig geht er auch ab. Klasse Musik, klasse Texte, klasse Show. Was soll ich sagen? Auch hier werden wieder die Unterschiede zwischen Liedermachern und Liedermachings offensichtlich. Siehe Tino. Das Publikum geht jedenfalls extrem gut mit und behauptet im Anschluss an das Konzert fast ganzheitlich, es sei zu kurz gewesen. Na also, was will man mehr. Stelle man sich mal vor, alle hätten gesagt: "viieeeel zu lang gewesen!"
Ein sehr schöner Abend geht zuende, der leider aufgrund des Gewerkschaftshauses zwar nicht diese heimelige Atmosphäre erreichte, die sich im Museumskeller immer ganz schnell einschleicht und alle Herzen wärmt, aber auf jeden Fall ein Abend mit vielen Highlights!
Ihr müsst mich nun entschuldigen, ich gehe jetzt noch mit Fred, Vicki, Bierhorst, Reiner, Napoleon, Sven, Dina, Else, Michael Günther und meinen Erfurter (hoffentlich noch dieses Jahr) Punkbandkollegen Max und Kai in den Museumskeller, dort werden wir Achim nerven, der eigentlich den Laden schließen wollte, werden White Russian noch und nöcher trinken, viel lachen, viel rauchen, und am nächsten Tag werde ich den ersten Zug verpassen, und den zweiten, und den dritten, und ich werde wissen, wofür: Für zwei tolle Abende mit tollen Menschen in toller Gesellschaft.
Einen Dank an euch, ich komme gerne wieder! (und aus dem Wald schallt's lange noch: "Liedermaching lebe hoch!"...)



der erste Abend im Jahr 2000 Götz, Totte, Vicki, Rüdi und ein paar andere singen "Ich brauch' Personal"
2005

Vicki Vomit


Götz Widmann


Rüdiger Bierhorst


Martin Sommer nebst Harfe


Burger und Fred
Impressionen von 2010
Impressionen von 2011

ELF 11 - Kurzbericht von Jochen Hirsches
Alljährlich am zweiten Januarwochenende findet das Erfurter Liedermacherfestival statt und erfreut sich stetiger Beliebtheit. So war auch dieses Jahr die Hütte voll und die Stimmung super. Freitags ist der Newcomerabend für ausgewählte Nachwuchstalente, Samstag der Hauptabend mit in der Liedermacherszene bekannten Acts und Sonntagabend die offene Bühne.

Initiiert wird dieses Festival von dem Musiker und Comedian Vicki Vomit, der in Erfurt bekannt ist wie ein bunter Hund und bei einem Gildo Horn Ähnlichkeitswettbewerb vielleicht sogar Chancen hätte. Leider spielter er nicht selber, aber er sorgte für einen reibungslosen Ablauf und stand auch selbst hinter dem Mischpult.

Als Moderator des Abends wurde Rüdiger Bierhorst auserkoren - für Unwissende: er ist einer der „Monsters of Liedermaching “ -, was sich als eine sehr gute Wahl herausstellte. Rüdi kündigte die auftretenden Künstler originell an und griff zu meiner Freude auch noch selbst zur Gitarre, um den ein oder anderen Song zum besten zu geben.

Den Abend eröffnete Bruno Kolterer, der bereits zum Inventar des Festivals gehört und auch schon mal Moderator war. Der wohl bestangezogenste Mann des Abends brillierte mit viel Humor, eingängigen Melodien und einer kabarett-artigen Performance. Als Zugabe spielte er dann „Du siehst heut scheisse aus“, einer meiner persönlichen Lieblingssongs des Abends.

Kriss Cologne ist nicht nur der Ex-Show-Azubi des Liedermacher-Urgesteins Götz Widmann, sondern macht selbst auch noch feine Musik. Seinen Stil kann man als Hip-Hop-Liedermaching bezeichnen, die Texte handeln meist von Beziehungskisten. Mit seinem außergewöhnlichem Stil und seiner sympathischen Art sorgte er für gute Unterhaltung.

Als nächstes kam das Duo Simon und Jan an die Reihe, die IMHO den besten Sound an diesem Abend hatten. Die beiden lieferten einen perfekten zweistimmigen Gesang und es blitzten sogar virtuose Gitarren-Momente auf. Der trockene norddeutsche Humor sorgte zudem für die Reizung meiner Lachmuskeln. Da ich das Duo noch nicht kannte, für mich ein unerwartetes Highlight.

Auch Frauenpower durfte auf dem Festival nicht fehlen, und das war gut so. Janina ist quasi die Pink des Liedermachings - ich weiß nicht, ob sie diesen Vergleich mag - und überzeugte nicht nur mit Ihrer Optik, sondern auch mit Ihrer Hammerstimme und authentischen Texten. Spätestens an ihr merkte man, daß es im Backstagebereich lustig zugegangen sein muss, und auch Moderator Rüdi wirkte mehr und mehr ausgelassener.

Als krönender Abschluss kam dann der Flotte Totte, für alle Unwissenden: auch er ist ein Mitglied der „Monsters of Liedermaching“. Er schaffte es, auch noch nach den durchweg starken Acts und zu fortgeschrittener Stunde, inzwischen war es ca. 1 Uhr nachts, das Publikum mitzureißen und zum Mitmachen zu animieren. Immer wieder ein Erlebnis. Hier ein paar Songs, die er gespielt hat, und die sprechen für sich: Sabine & Horst Teil 1+2, Zwerge, Türen, Walgesänge,…

Insgesamt gäbe es noch viel über den Abend zu schreiben, aber dies würde den Rahmen des Blogeintrags sprengen.

Am nächsten Tag war dann die offene Bühne, auf der neben dem Liedermacherduo „Kalter Kaffee“ und Bruno Kolterer auch meine Wenigkeit ein paar Songs spielen durfte




- ohne Worte -


- offene Bühne 2011 -

14.01.05 Museumskeller - Liedermacher-Newcomerbühne von Tottovic Kalkül
I'm tired.
Ja, das bin ich. Sitze im Zug, höre den neuesten Sampler aus dem Hause "Aggro Berlin" und weiß genau, dass man mit einer solchen Aussage bei Liedermacherfans keinen Blumentopf gewinnen kann. Also: Von Köln nach Hamburg zum Soundtrack der letzten 30 Reinhard Mey-Platten, ich trinke Kaffee für etwa 200 Euro (ca. vier Tassen im ICE) und freu mich auf das fünfte Erfurter Liedermacherfestival.
Nach dem grandiosen Erfolg des Vorjahres hat sich der Erfurter Liedermacherpate Vicki Vomit wieder ein Novum ausgedacht: Dieses Jahr soll es am Freitag eine Newcomerbühne geben und ich habe die Ehre, durch den Abend zu moderieren. Qualifikation hab ich dafür keine, aber mein Motto lautet schließlich seit mindestens einer Woche: Ambition kickt Qualifikation um Längen! In Erfurt angekommen, treffe ich mich mit Mr. Vicki Vomit und Ines, seiner Muse und Musikkollegin in einem Cafe, dessen Name mir entfallen ist, aber dort kann man neben Kaffee und Gebäck auch Schmuck erstehen. Wir nehmen davon Abstand, denn es gilt rasch, den Abend zu planen. Ruckzuck, Kaffeschluck, dann in der Villa Vomit den CDs derer gelauscht, die heute das willige Publikum zu rocken gedenken. Leider gibt's schon jetzt ein Problem: Ich bin - aufgrund 24stündigen Schalfentzugs - absolut nicht in der Lage, zu zu hören. Lieber will ich das Daunenkino besuchen, aber nichts da: Schon ist es Fünf Uhr nachmittags und wir müssen aufbrechen, wichtiges Equipment holen, von dem ich nix verstehe. Immerhin verstehe ich es, beim einladen der Geräte bereits durch einmal Handanlegen Herr Vomit in einen wahren Wutausbruch zu versetzen, was mich zwar nicht kompetent, zumindest aber comedyadäquat erscheinen lässt. Wenn ich Comedy nur nicht so hassen würde! Entgegen meines ersten Mottos, lautet mein zweites nämlich: Komisches hantieren kickt kompetentes agieren keineswegs um Längen, ganz und gar nicht.
Im wunderschönen Museumskeller, Ort heutiger Ballnacht, bauen Vicki und Achim (einer der beiden Betreiber des Ladens) alles auf, während Euer werter Erzähler zur Abwechslung Kaffee trinkt und Kette raucht. Wie stets beim Aufbauen, fehlen Sachen, die auf gar keinen Fall fehlen dürfen, und wie stets, wird eine Lösung gefunden, wie es dann trotzdem gehen könnte. Geht doch! Ich aber sitze die ganze Zeit in Vickis Bonzenschleuder um via Telefon im Radio das diesjährige Festival zu bewerben. Dumm nur, dass 1. ich vergessen habe, wann der Radiokerl mich anrufen wollte und 2. im Museumskeller kein Handyempfang ist, weshalb ich eben eine geschlagene Dreiviertelstunde im Wagen warten muss. Derweil trudeln die Akteure ein: Andrea Eberl aus Köln mit ihrem Pianisten, dem Düsseldorfer Basti (und nicht zu vergessen Smokie, Andreas Blindenhündin, die netteste Hündin, die ich kenne, allerdings kenne ich sonst nur noch zwei andere Hündinnen, die mich beide gebissen haben), Bernd Barbe aus inzwischen Gießen, das Jenaer Duo Scamp, Lutz Drenkwitz aus Braunschweig, Ingsteph und Ko aus Erfurt (heute leider nur als Duo, da Ko wegen Krankheit KO ist) und Kess Amber aus angeblich Stuttgart, dann aber doch eigentlich aus der hiesigen Gegend. Der Hamburger Katze Klose lässt gar nichts von sich hören und Michael Günther aus Berlin ruft mich an, weil er in Jena mit geplatzten Reifen auf der Autobahn steht. Oder so ähnlich, ich habe nicht so genau hingehört, weil ich gerade Wadder ladden wollte, als er anrief und meine Konzentration gilt momentan eher der Blasenkontrolle. Aber auch die beiden Herren treffen rechtzeitig und guter Dinge ein. Hurra!
Nach Soundcheck und ersten zarten Annäherungen der Künstler untereinander, einer kurzen Vorabbesprechung zum Ablauf des Abends, gibt's endlich Brötchen und Bier im Backstage, und schon ist es acht Uhr und das Publikum trudelt ein. Sehr, sehr zahlreich. Toll! Auch einige Liedermacher, die erst morgen spielen werden, sind schon heute da: Meine Monstermember Bierhorst, Burger und sogar Fred der dieses Jahr konzerttechnisch aussetzt (aber bestimmt 2006 wieder in Erfurt dabei sein wird), Martin Sommer samt Harfenistin, deren Name mir jetzt blöderweise entfallen ist, ausserdem zahllose bekannte Gesichter von vergangenen Konzerten - insgesamt ein extrem angenehmer Anblick. Vicki macht den Sound, Napoleon traditionellerweise den Merchandise (was ihn regelmäßig in Suff und Verzweiflung treibt, denn fünfzehn verschiedene Platten zu fünfzehn verschiedenen Preisen zu verkaufen, das schockt) und Reiner (der zweite Museumskellerchef) macht die Kasse. Um 21:30 ist der Laden voll! Und er wird im Verlaufe das Abends noch voller, es werden gar Leute wieder heimgeschickt werden müssen, was einerseits schade ist, andererseits aber für erfreute Künstlergesichter sorgt, denn AUSVERKAUFT! klingt cool!
Nun aber flugs zu den Auftritten:
1. den Opener machen Scamp, das Liedermacher-Deutschpunk - Rock-Duo aus Jena. Mit Klavier und Gitarre machen sie ihrer Musikbezeichnung alle Ehre und erobern die Herzen der HörerInnen im Sturm. Schöne rauchige Stimme und Songthemen zwischen Romantik und Rebellion. Besonders der Song "Moskau" wird sicher bald ein Liedermaching-Hit.
2. Abgelöst werden sie vom Gießener Bernd Barbe, der aber eigentlich auch aus Sachsen kommt, und den ich aufgrund seines Dialekts für einen Schwaben gehalten habe. Mr. Vomit meint, er sähe aus wie der Monty Python Michael Palin, was durchaus der Wahrheit entspricht. Bernd geht um einiges ruhiger zur Sache, als seine Vorgänger, aber mit seinem zurückhaltenden Charme wird auch er vom Publikum mit stürmischen Applaus gefeiert.
3. Ingsteph und Ko kenne ich bereits von einem Konzert in Arnstadt, um diese Jungs muss man sich keine Sorgen machen. Auch zu zweit rocken sie extrem und führen - neben skurrilen Songthemen - auch das Liedermachingnovum Trommel ihren Liedern hinzu. Schon gibt es Mitsingchöre und die Temperatur im Museumskeller steigt ein weiteres Mal um ein paar Grad.
4. Andrea Eberl und Basti, die ich auch schon eine ganze Weile kenne, kommen mit ihren Liedern von einer ganz anderen Seite her. Nachdenkliches mischt sich mit Lustigen, verpackt in wohlige Klavierakkorde. Das hat etwas von Chansons, und - wie nicht anders zu erwarten - rennen sie damit offene Türen ein. Tolle Stimmung im Saal. Natürlich spielen auch sie, genau wie ihre Vorgänger, noch eine Zugabe, mit der sie eine kurze Pause einläuten, die zum Toilettengang, CD-Kauf und/oder (besser: und) Getränke ordern genutzt werden kann.
In der Pause kann ich Backstage etwas tolles beobachten: Viele der Liedermacher haben sich hier versammelt, unterhalten sich eifrig, prosten einander zu, jammen zusammen auf ihren Gitarren. Warum ich das so toll finde? Weil mich genau diese Atmosphäre so an die vergangenen Liedermacherfestivals erinnert. Kein Konkurrenzscheiß, sondern alle zusammen für einen schönen Abend. Wenns nach mir ginge, könnte man den Abend weiter so verbringen. Aber: es gibt ja noch eine zweite Hälfte. Und die beginnt just jetzt:
1. Katze Klose - der wohl abgefahrenste Hamburger Liedermachingrocker - schafft es schon vor dem ersten Lied, alle auf seine Seite zu ziehen. Extrem witzige Ansagen wechseln sich mit völlig kranken Liedern ab und der Raum tobt. Auch hier wird mitgesungen, und so mancher wird sich im Anschluss gefragt haben, was er da eigentlich gesungen hat. Ein Mann, ein Mysterium.
2. Weniger mysteriös geht es dann bei Kess Amber zu. Sonst auch mit englischen Songs am Start, spielt sie heute unter ihrem richtigen Namen Conny ausschließlich deutschsprachige Lieder, und man merkt schnell: Schwerpunkte setzt sie auf balladeske Lieder. Themenmäßig geht es um - hm, na eigentlich um alles. Dargeboten von einer wunderschönen Stimme, erzeugt sie eine adäquate Stimmung im Raum und ich kenne auf jeden Fall einen Liedermachingkollegen, dem sie mit ihren Liedern (Achtung! Klischee! Vorsicht! Pathos!) in die Seele gegriffen hat. Dem Publikum wird es ähnlich ergangen sein.
3. Etwas schwieriger hat es dagegen leider der Braunschweiger Lutz Drenkwitz, seines Zeichens Ex-Shifty Sheriffs Punker, die ich vor Jahrzehnten mal im Vorprogramm der legendären Toy Dolls gesehen und für außergewöhnlich gut befunden habe. Auch seine Solosongs krachen ordentlich verzerrt und seine Inhalte bewegen sich zwischen Psychiatern und Party, indes, den Zugang zum Publikum fand er nicht so recht.
4. Michael Günther dagegen macht keine halben Sachen. Mit seiner ultrasouveränen Art lustwandelt er zwischen Comedy und Liedermachertum, seine Ansagen sitzen und auch bezüglich Spontanität macht dem Berliner keiner was vor. Man merkt schnell, der Kerl ist Profi. Kein Wunder, das Publikum feiert ihn angemessen frenetisch. Ein würdiger Abschluss des tollen offiziellen Teils.
Aber selbstverständlich geht es im Anschluss mit der offenen Bühne weiter, auf der sich irre Konstellationen der Liedermacher zusammenfinden und gewollt wie auch ungewollt komisch Lieder aus allen möglichen Sparten darbringen. Alles verschwimmt jetzt leider, denn ich habe zuviel getrunken, mich zuviel gefreut und bekomme nur noch peripher was mit, bzw. benehme mich - um es mit Wiglaf Droste zu sagen - zoologisch. Hoffentlich gibt's keine Aufnahmen davon. Das hoffe ich auch bezüglich meiner Moderation, denn professionell geht sicher anders.
Je nun ein Whiskey-Cola hier, ein Bier dort, feiern ist angesagt, denn der Abend hat wieder eines gezeigt: Auch heute hat der Liedermaching-Spirit die Musiker ergriffen, und mir bleibt zu wünschen, dass man sie alle noch oft auf Deutschlands Bühnen zu sehen bekommt. Gerne auch zusammen. Vielen Dank an Vicki für die Organisation, Reiner und Achim für den Museumskeller, Napoleon fürs verkaufen, allen LiedermacherInnen und natürlich dem Publikum, das unglaublich vorbehaltlos in den Museumskeller gegangen und dann so super mitgegangen ist.
Bis hoffentlich bald, Totte




Erlebnisbericht vom 5. Erfurter Liedermacherfestival
Am 14.01. ist man früh um drei im Chat. Man unterhält sich. Einer sagt, "So ein Mist ich muss Wochenende arbeiten". Ich nicht, sagte ich. Daraufhin fragte Michael ob ich mit nach Erfurt kommen würde. So kostete mich der Vormittag Schlaflosigkeit und Organisation. Aber, dank meiner Frau und Ihr Verständnis, klappte alles und ich konnte zusagen.
Um 15:30 Uhr holte mich Michael ab und wir fuhren in seinem Auto Richtung Erfurt. Kurz vor Jena ein tiefes brummendes Geräusch. Auspuff ab! Runter von der Autobahn. ADAC! Keine Vororthilfe möglich. ADAC fährt vor und wir hinterher zu ATU. Zum Glück war dort ein Schlosser der was von basteln versteht. Stück Rohr zwischengesetzt, zusammengeschweißt, passt! Weiter ging´s.
Am Museumskeller angekommen, schnell hinein, Bachstage saßen schon alle Musiker. Der Raum füllte sich schnell, auch mit Zigarettenrauch. Vicki Vomit an der Technik, kurze Ansage vom flotten Totte und als erstes spielten die beiden von Scamp. Echt Klasse texte. Es ging Schlag auf Schlag weiter. Ich möchte Andrea Eberl erwähnen. Eine hübsche blinde Sängerin mit einer Stimme zu Herzerweichen. Ihr ganzer Auftritt war so von Wärme umgeben. Der Beifall gab ihr Recht. Katze Klose, ein junger Liedermacher, der es Verstand das Publikum mit Witz und Charme sofort auf seine Seite zu ziehen. Dann Lutz Drenkwitz, er hat es sich ein wenig schwer gemacht. Zuviel Technik, zwei Gitarren, Verzerrer, Mundharmonika. Die Musik war ganz gut, aber durch sein rumgewirtschafte mit allem ging die Stimmung flöten. Danach kam Michael Günther, er war der letzte an diesem Abend. Der Anfang war etwas schwer, da die Stimmung durch seinen Vorgänger nicht mehr da war. Aber Michael hatte sich schnell durchgesetzt, alles hörte Ihm gespannt zu, Lied für Lied, Text für Text, alles stimmte. Ein Beifall nach dem anderen, er hatte das Publikum in der Tasche. Es war super.
Nach dem letzten Beifall und Zugabe war dann offene Bühne. Danach ging es in die Pension zum schlafen, ne weitermachen! Bis früh um sechs. Ich selbst hatte die einmalige Möglichkeit mit fast allen persönlich zu quatschen. Alles super Leute. Jeder erzählte von sich. Es wurde Musik gemacht. Ich habe viel gelernt von allen. Frühstück um zwölf, Mittag um 17 Uhr und 21 Uhr zum Hauptabend im HsD. Durch den Abend führte Vicki Vomit. Saal wie immer völlig verraucht. Als erstes ging es los mit Gitarre und Harfe. Einmalig. Ganz super war Rüdiger Bierhorst mit seinem Lied von Rangsdorf (Dorf vor Berlin). Denn nur dort ist das Wetter am schönsten. Der flotte Totte sang von "Türen". Ich habe nicht geglaubt, dass dabei der ganze Saal abfeiert. Echt super. Und so ging auch der Abend viel zu schnell vorbei.
Der Rückweg nahte, Verabschiedung von Katze Klose, Lutz, Conny, Andrea, Bernd und all die anderen. Ein wenig Wehmut kam auf. Dann sind wir beide auch los. Erst zu Vicki Vomit in die Wohnung. Ein Erlebnis, überall Gitarren in den Ständern und an der Wand. Klavier, Computer und Millionen von CD´s. Irre Schuhe in den Regalen. Er lachte, gab mir einen Kaffee, sagte: "Setz dich hin und halt die Klappe!" Aber freundlich gemeint, weil ich so verdutzt geschaut habe.
Dann haben wir den flotten Totte zum Bahnhof gebracht, und Rüdiger Bierhorst mit nach Berlin genommen. Im Auto habe ich erfahren wie das Lied von Rangsdorf entstanden ist. Nach drei Stunden Autofahrt war ich wieder zu Hause. Alles um mich herum wirkte auf einmal sehr still. Mir ging jede einzelne Szene durch den Kopf.
Es war ein besonderes Erlebnis, für das ich Michael Günther nochmals herzlich Danken möchte.
Stephan Hille, Berlin



Impressionen von 2012


Impressionen von 2013


Impressionen von 2014


alle Bilder ab 2010 (c) Anja Pankotsch aka Rattchen - Photos 2000 / 2005 von privat